Vorsätze für das neue Jahr

Ein neues Jahr beginnt – und mit ihm oft der Druck, große Vorsätze zu fassen. Doch statt starrer Ziele setzen wir auf Wünsche, die zu uns passen, ohne Perfektionismus oder Erwartungen von außen.

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Veränderung braucht keinen Stichtag, sondern Raum, um natürlich zu wachsen.

Die Gedanken dazu von Sabrina Lorenz

Es ist Januar. Die Rauchschwaden der Silvesternacht hängen nicht mehr schwer in der Luft. Vor mir liegt ein leeres Notizheft. So, wie diese leeren Seiten mich anschauen, schaue ich auf das neue Jahr: 365 Seiten, die neu beschrieben werden können.


Leere Seiten, die mit Vorsätzen, Plänen und großen Erwartungen gefüllt werden können.
Vorsätzen geben uns Motivation, Veränderungen anzugehen, die wir schon längst angehen wollten. Was würde sich da besser für einigen als der Anfang des Jahres? Damit bringen wir vielleicht die nötige Motivation auf.
Aber woher kommen diese Vorsätze: mehr Sport treiben, mehr auf die Gesundheit achten, weniger Zeit am Smartphone sein, in die nächste Gehaltsklasse einsteigen. Welche von ihnen entstehen durch vermeintliche Erwartungen im Außen und welche spiegeln das wieder, was uns wirklich wichtig ist?
Ich nehme den Stift in die Hand und dann schreibe ich einige Punkte auf. Keine Vorsätze. Viel mehr sind es Wünsche und Wunschziele.


Ich möchte mir den Druck nehmen, immer besser werden zu müssen, nur um ein unrealistisches Ziel zu erreichen. Eines, welches vielleicht nicht einmal zu meinen eigentlichen Werten passt. Keine zu starren Ziele. Veränderung ist nicht an ein bestimmtes Datum gebunden. Außerdem passiert das Leben in den 365 Tagen sowieso. Wir können nicht alles planen und vorhersehen. Also lasse ich ein Platz für das Unerwartete, etwas Flexibilität.
Wir alle sind nicht gefeilt davor, uns keine Vorsätze zu überlegen, uns nicht zu vergleichen, in einer Gesellschaft, in der es häufig um das Erreichen großer Ziele, Meilensteine und Idealen geht. Und das kann einen unglaublichen Druck auf uns ausüben.


Im Kontext von Inklusion ist es ein Vorurteil zu glauben, dass Menschen mit chronischen Erkrankungen und / oder Behinderungen keine Ziele oder Träume haben. Aber jede Person ist dabei ganz unterschiedlich leistungsfähig. Wir alle haben unterschiedliche Interessen und Vorstellungen davon, was uns wichtig ist. So individuell, wie wir sind, sind es auch unsere Wünsche und Ziele.


Mit einer chronische Erkrankungen und / oder Behinderungen ist es durchaus schwer, Pläne schmieden können. Nicht immer ist damit zu rechnen, dass unser Gesundheitszustand so stabil bleibt, dass wir ein ganzes Jahr im Voraus planen können. Eine von uns können nicht sagen, wie es ihnen in einem halben Jahr, in einem Monat, nächste Woche oder morgen geht. Für uns alle, kommt das Leben hinzu. Situationen und Veränderungen, die wir so am Anfang des Jahres nicht hätten, kommen sehen.


Zudem setzt das vorherrschende Leistungsideal viele behinderte und / oder chronisch erkrankte Menschen zusätzlich unter Druck, weil dieses besagt, unser Wert sei über Leistung definiert. Diese Haltung ist nicht nur ableistisch, sondern potenziell gefährlich. Weil sie Menschen dazu animiert, über unsere natürlichen Grenzen hinauszugehen.


Ich möchte nicht im Januar schon gestresst sein, 17 Veränderungen gleichzeitig anstreben zu müssen. Ich möchte mich nicht das ganze Jahr unter Druck setzen und meine Vorsätze so hoch angesetzt haben, sodass keine Zeit mehr für die spontanen Freuden des Lebens bleibt.
Also formuliere ich Wünsche. Das, was schön wäre, wenn das passiert. Das, was mir jetzt gerade wichtig ist: Nachhaltiger leben. Achtsamer. Eine neue Stadt erkunden. Im Sommer all meine Freund*innen zum Grillen einladen. Endlich den Hilfsmittelantrag stellen. Eher nach Hilfe fragen, wenn ich nicht alleine weiterkomme. Ein neues Hobby ausprobieren. Das, was passiert, passiert. Am Ende des Jahres blicke ich in dieses Büchlein, freue mich über das, was geklappt hat. Bin sanft mit mir, wenn nicht. Und staune darüber, wie sehr ich mich in diesem Jahr gefestigt, verändert, verloren und gefunden habe.


Keine großen Erwartungen oder Vorsätze. Kein New Year – New Me. Viel mehr ein neues Jahr, ganz viel ich.