Welchen Preis hat Selbstbestimmung?

Einblick in die Selbstbestimmung und die Herausforderungen, denen Menschen mit Behinderungen gegenüberstehen, ist oft von zentraler Bedeutung für die Diskussion um Teilhabe und Gleichstellung. Die Geschichte einer jungen Erwachsenen im Sanitätshaus, auf der Suche nach einem Rollstuhl, der ihre Bedürfnisse erfüllt, beleuchtet die komplexen Entscheidungen und finanziellen Barrieren, denen sie begegnet.

Selbstbestimmung (1 von 1)

Dabei wird deutlich, wie grundlegende Menschenrechte wie Selbstbestimmung und Teilhabe durch die Verfügbarkeit bedarfsgerechter Hilfsmittel verwirklicht werden können.

Welcher Preis hat meine Selbstbestimmung?

Welcher Preis hat meine Selbstbestimmung?“ war eine der Fragen, die ich mir stellte, als ich mich als junge Erwachsene mit Behinderung in einem Sanitätshaus wiederfand. Es war nicht der erste Rollstuhl, den ich jemals erhielt und so war es auch nicht das erste Mal in meinem Leben, dass ich mir diese Frage stellte.

Zwischen medizinischer Notwendigkeit und echter Teilhabe

Ich befand mich in diesem Sanitätshaus, wo ich ausgemessen wurde, um einen auf meine Bedarfe angepassten Rollstuhl zu erhalten. Es wurden unter anderem der Kipppunkt, die Sitzbreite, die Höhe des Rückens und die Tiefe des Fußbretts Millimeter genau ausgemessen und in einen digitalen Fragebogen eingetragen. Dann wurde die Kostenaufstellung zu der für mich optimalen Rollstuhlversorgung angezeigt und die Person des Sanitätshaus sagte: „Das bekommen wir nur schwer von der Krankenkasse bezahlt.“
Uns Patient*innen steht bei der Hilfsmittelversorgungen die sogenannte Wahlfreiheit zu. Diese erlaubt über das medizinisch Notwendige hinausgehende Ausstattung, die jedoch in den meisten Fällen selbst bezahlt werden muss. Häufig übernehmen Krankenkassen lediglich die medizinisch notwendige Variante, wobei Faktoren wie soziale Teilhabe oft unberücksichtigt bleiben. Das Privileg, Zuzahlungen leisten zu können, ist nicht allen Menschen gewehrt.


Ein Hilfsmittel, welches in der medizinisch notwendigen Variante uns zugesprochen wird, ermöglicht uns ein Mindestmaß an Mobilität, Stabilität und verhindert in einigen Fällen auch eine Verschlechterung des medizinischen Zustandes der Patienten und Patientinnen. Leider wird hier häufig nur der medizinische Zustand betrachtet und Faktoren wie eine soziale Teilhabe, werden nicht berücksichtigt.

Grundgesetz & Menschenrechte: Anspruch und Realität

In diesem Jahr, 2024, wurde der Artikel 3 unseres Grundgesetztes 30 Jahre alt. Dieser besagt: „[…] Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Diese Forderung der Gleichheit ist stark mit dem Thema Selbstbestimmung verknüpft. Denn nur ich, weil ich mich und mein Leben am besten kenne, kann entscheiden, was ich benötige, damit meine Teilhabe garantiert ist. Ohne das Zusprechen von Hilfsmitteln, die wirklich unsere Bedarfe erfüllen, bleibt Teilhabe eine Utopie. Art. 3 des GG setzt hiermit einen Grundstein für eine inklusive Gesellschaft. Aber ohne entsprechende Hilfsmittel, durch die ich am sozialen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Miteinander teilhaben kann, sind wir von Inklusion noch weit entfernt.
Eine bedarfsgerechte Hilfsmittelversorgung ermöglicht nicht nur Teilhabe, sondern vor allem eben diese so selbstbestimmt wie möglich.

Selbstbestimmung braucht passende Hilfsmittel

In diesem Jahr wird aber nicht nur der Art. 3 des Grundgesetzes 30 Jahre alt. Auch die UN-BRK trat vor 15 Jahren in Deutschland in Kraft. Diese Abkommen der Vereinten Nationen benennt die universellen Menschenrechte aus der Perspektive von Menschen mit Behinderungen und beschreibt, dass die Grundrechte für Menschen mit
Behinderungen gefördert, geschützt und gewährleistet werden müssen. Dabei ist die
Selbstbestimmung behinderter Menschen über alle Lebensbereiche ein zentraler Punkt.
So auch die Themen Mobilität und Teilhabe.


Die Verwirklichung von Gleichheit und Selbstbestimmung für Menschen mit
Behinderung hängt auch von der Verfügbarkeit von Hilfsmitteln ab.
Ich möchte so selbstbestimmt wie möglich leben. Hilfsmittel, die auf meinen Bedarf
abgestimmt sind und dadurch auch Aspekte wie meine soziale Teilhabe
berücksichtigen, ermöglichen mir dies. Diese Selbstbestimmung gibt mir Freiheit. Und
so hoffe ich, dass irgendwann die Frage nicht mehr lautet „Welcher Preis hat meine
Selbstbestimmung?“, sondern nur noch „Was benötigst du für deine
Selbstbestimmung?“